Grosser Münsterländer Zwinger "vom vorderen Kraichgau"

 

Das (komplexe) Umfeld „Schussempfindlichkeit“

Ausgangslage


„Schussfest: ist ein Hund, wenn er keinerlei negative Reaktionen (Einschüchterung/Ängstlichkeit) auf den Schuss zeigt und seine Arbeit (Suche) freudig fortsetzt.“

Diese Aussage stammt aus der VZPO 2018 (Prüfungsordnung) des JGHV’s und impliziert zwei Fragen, die eine Beantwortung bedürfen: 

  1. Wie werden „negative Reaktionen“ festgestellt?
  2. Ist jeder Hund, der nicht „schussfest“ ist, „schussempfindlich“?

Die Schussfestigkeit wird von JGHV-Verbandsrichtern während entsprechenden Prüfungen festgestellt und anschließend im Zuchtbuch der entsprechenden Jagdhunderasse übernommen.
Im Falle von „eingeschränkter Schussfestigkeit“ verwenden einzelne Zuchtordnungen Wörter wie Vererbung wie auch Erbkrankheiten. Das Analysemedium steht unter „Ostermannsche Statistik“ bekannt und gibt keinen eineindeutigen Aufschluss über Erbgänge. Entgegengesetzt dazu sind die Diskussionen über erfahrenen Hundeausbilder, die das Verhalten des entsprechenden Hundes „umkonditionieren“ können. Erlaubt eine Aussage „Erbkrankheit“ eine wirkungsvolle Überlagerung von antrainierten Verhaltensmuster? Oder sind das Symptomatiken aus der Epigenetik, die sich so therapieren lassen? Wenn ja, wo kommen jene Auslöser der epigenetischen Verursacher her?
Mit der Oostermannschen Statistik zur VJP 2022 verzeichnete der VGM eine deutlich erhöhte Observation von „Schussempfindlichkeit“ bei den vorgestellten Junghunden. Es ist eine subjektive Wahrnehmung, die mehr Details verlangt.


Bewertung des aktuellen Vorgehens


Die Zuchtzulassung eines Hundes setzt einige Bedingungen voraus. Dazu gibt’s auch Ausschlusskriterien, die durch spätere Beobachtungen nicht mehr kompensiert werden können. Aus diesem Grund werden Hunde, die zur VJP eine „Schussempfindlichkeit“ attestiert bekommen, meistens zur HZP nicht mehr vorgestellt. Aus Sicht Populationsgenetik und Genpool gibt es keine Bewertung zu diesem Ausfall/dieser Reduktion.
Bei der HZP gibt’s Muss-Bedingungen (KO-Kriterien), die bei der ersten HZP-Prüfung nicht vom Hund erfüllt, jedoch bei der Wiederholung der Prüfung ohne Einschränkungen gemeistert wurden. Kann dieser Hund in die Zucht aufgenommen werden?
Quer über alle Rassen ist die Belegung der Zuchthündin vom Tierschutz bestimmt. Je nach Jagdhunderasse ist der Deckeinsatz insgesamt und nach Kalenderjahr limitiert oder komplett frei. Im letzten Fall ist das Vererbungspotential (auch bei Erbkrankheiten) groß. Die jährliche Oostermannsche Statistik führt alle Prüfungsteilnahmen (JGHV) der Nachkommen aus den Anpaarungen auf, sodass unterschiedliches Abschneiden bei den Prüfungsteilnahmen wie auch bei dessen Wiederholungen transparent ist. Aus diesem Grund gruppiert die Oostermannsche Statistik alle Prüfungsergebnisse nach Deckrüden.
Aus Sicht der Elterntiere zeigt die vorhin beschriebene Aufstellung der Prüfungsergebnisse eine Asymmetrie zwischen Deckrüde und Zuchthündin. Je nach Erstbelegung der Hündin kann diese Hündin durchaus bis zu 6 Würfen nacheinander aufziehen. Regelmäßig übernimmt eine Hündin aus den Nachkommen die Rolle der Zuchthündin, sodass das Merkmal „Zwinger“ eine eigene Bedeutung bekommt.
Zusammengefasst sind die größte Mängel des aktuellen Vorgehens die Asymmetrie zwischen den Paarungspartner und die zeitliche Einschränkung auf den Jahrgang.


Thematische Abgrenzung


Die Prüfungsordnung schreibt die „Feststellung der Schussfestigkeit“ sowohl im Feld als auch am Wasser sehr genau vor. Für die Konstellation „Feststellung nicht durchführbar“ sind Wesensmerkmale des Hundes ausschlaggebend. Bei der Einarbeitung des Hundes am Wasser können viele Faktoren dazu beitragen, dass der Hund verweigert. Dieses kann, muss aber nicht kausal mit „Schussempfindlichkeit“ assoziiert sein. Das bekannteste Beispiel ist dort „hat beim Wasserübungstag Schrote abbekommen“. So können Parforcemethoden ebenfalls einen Anlass sein, unabhängig davon wieso die Methodik angewendet wurde.
Zu den mehrdeutigen Konstellationen gehören sicherlich auch das „nicht-Finden wollen“ bzw. das „nicht-Zutragen wollen“ der Ente. Analog sind Knautscher/Rupfer wie Totengräber bei der Schleppenarbeit zu deuten. Es sind Verhaltensweisen, die mit der Ausprägung des Hundewesen (Übersprungreaktion, Fehlverknüpfung, etc.) in Zusammenhang stehen. Da man nicht weiß, welche Wesensfaktoren zu Schussempfindlichkeit führen, müssen alle Eventualitäten aufgenommen sein und die Analysen zur Verfügung stehen. Generell darf keine Datenerfassung mit der Zielsetzung einer späteren Analyse interagieren.


Die Diversität der Ausprägungen als Grundlage der Datenerfassung


Die aktuelle Erfassung von Informationen aus den Oostermanschen Statistiken umfasst eine Zeitperiode von 15 Jahren. Für die VJP wurden die 4 Stufen der Schussempfindlichkeit erfasst und „Hund entfernt sich nicht vom Führer“ als 5. Ausprägung. Bei der HZP wurden alle Erscheinungen bei der „Schussfestigkeitsfeststellung am Wasser zusammengefasst. Alle Situationen beim „Verlorenbringen“ wie beim „Stöbern der LE“ ebenfalls gebündelt. Das Verhalten auf den Schleppen wurde auch erfasst. Also 8 Ausprägungen.
Arbeitet man nun sukzessive die Oostermannische Statistiken der einzelnen Jahren ab, erscheinen auch Sonderfälle. „Die HZP bestanden zu haben mit der Eintragung Schussscheue“ ist nicht leicht erklärbar, aber wird für die Statistik akzeptiert. Dieser Fall besagt, dass der Hund keine Beeinträchtigungen am Wasser (Schussfestigkeit und Lebendente) hatte, dafür im Feld (während der Suche). In der Regel sind jedoch die Hunde, die Einschränkungen in der Schussfestigkeit während der Jugendsuche gezeigt hatten, bei der HZP im Feld ohne Einschränkungen. Sie zeigen bei der HZP oft ihr Wesen am Wasser.
Bei der Lebendente kann der Fall „Hund bringt Ente nicht“ noch eine Wildscheue auftreten, in der Form, dass der Hund beim Aufnehmen der „halblebenden“ Ente durch Bewegungen der Ente irritiert wird und umdreht, ohne die Ente aufzunehmen. Durch die Änderung der Prüfungsordnung gab’s früher den Fall „Einwirkung beim Negativverhalten“, der hier gleichgesetzt wurde mit „Hund bringt Ente nicht“.


Der Vergleich mit „außerhalb“


Vergleicht man diese Zahlen im Kontext, dann ist der Vergleich zu anderen Rassen sinnvoll. Die publizierte Oostermannsche Statistik bei „Deutsch Langhaar“ VJP DL 2020 ist quantitativ vergleichbar zur Jugendsuche VGM VJP 2022. Beide sind Ausreißer über den jeweiligen Jahresfolgen. Diese Aussage soll die Bedeutsamkeit des Handlungsbedarfs nicht schmälern. Ein Blick im VDD-Zuchtbuch zeigt qualitativ wie quantitativ ein ähnlicher Befall. Die jährliche Welpenzahl ist keine Milderung. Im Gegensatz: vergleicht man Zuchtordnungen miteinander, dann wird ein potenzielles, notwendiges Maß der Gegensteuerung dort erkennbar. (Deutsch Drahthaar (vdd_11_21.pdf (deutschdrahthaar.de), ab Seite 309).


Auswertung und Analyse


Es wurden zirka 360 Beeinträchtigungen (fast gleichverteilt über VJP und HZP) erfasst und mit Excel ausgewertet (Summenbildung, Sortierung, Filtern). Da die Datenmenge überschaubar ist, muss wenig programmiert werden. Das manuelle Umsortieren und Umgruppieren brachte schnell „Ursprungsquellen“ hervor, wobei das Wort „Ursprung“ mit dem Anfang des Erfassungszeitraums korreliert.
Geht man von einer homogene Verteilung in der Population aus, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit der Betroffenheit mit der Anzahl Hunde aus einem Wurf, die als Zuchttiere eingesetzt waren. Geht man davon aus, dass die „mangelhafte Schussfestigkeit“ von Elterntieren weitergegeben wird, steht auch die Mutterlinie in Verdacht. Bedeutet: mehrere Würfe eines Zwingers können in der Statistik auffallen. Sortiert man anschließend nach Würfen innerhalb eines Zwingers kann die Durchgängigkeit jener Aussage geprüft werden. Sind aus einem Wurf mehrere Hündinnen in unterschiedlichen Zwingern in der Zucht, gibt es eine mögliche Korrelation unter Cousinen und Cousins. Hier lohnt sich eine Analyse nach (gemeinsame) Großeltern.
Die o.a. Durchgängigkeit kann unterbrochen sein. Unter vielen möglichen Gründen ist auch die erfolgreiche (rechtzeitig) Um-Erziehung des Welpen, der später in der Zucht eingesetzt wird. Haben Nachkommen des Welpen einen Mangel an Schussfestigkeit, kann ein Gespräch entsprechende Aufklärung bieten.
Die Umsichtigkeit, zwecks Reduktion des Erscheinungsbildes in der Zukunft, soll vermehrt Wurfgeschwister, mehrere Generationen, wie auch das Verhalten des einzelnen Hundes (in augenscheinlich entkoppelten Bereichen) berücksichtigen. Potenziell kann daraus eine Strategie abgeleitet werden, dass mehrere Hunde (mehr als in der Vergangenheit) eine bedingte Zuchtzulassung (z.B. Hündin: ein Wurf für 2 bis 3 Jahre; Rüde nur 3 Deckakte) erhalten und die VJP/HZP Ergebnisse dessen Welpen Grundlage für weitere Freigaben bilden. Liegt eine offensichtliche Belastung des Zwingers (Mutterlinie) vor und mehrere Welpen aus einem Wurf beantragen die Zuchtfreigabe, ist nicht eindeutig, welche Tiere eingeschränkt in der Zucht dürfen und welche vorerst warten müssen. Einige Zwinger-Kontaminierungen aus der Vergangenheit wurden durch diese Recherche indiziert. Somit braucht ebenfalls das Thema Streuung (mehrere Generationen, mehrere Zuchtlinien) einen Fokus. Und sicherlich nicht zum Schluss ist das Bestehen bei der Wiederholung der HZP nicht mit einem Bestehen im ersten Durchlauf gleichzusetzen (Zuchtfreigabe).

Diese Methodik ist ©

Populationsgenetik


Aus Sicht Populationsgenetik wird eine Einschränkung bei der Zuchtzulassung zunehmend komplexer. Die Gründung des Deutschen Stammbuches für den VGM hatte 82 Tiere, einige davon waren sicherlich genetisch verwandt. (Eingeplante) Einkreuzungen der Vergangenheit haben diesen Bestand erweitert, aber nicht per sé verdoppelt. Zusätzliche Restriktionen, wie auch ein nicht-Anpassen des Regelwerks an den aktuellen Umgebungsfaktoren, kann der „Spielraum“ zur „angepasste“ Behandlung der „mangelhafte Schussfestigkeit“ in einem gefährlichen Dialog mit einem erforderlichen Mindestgröße des Genpools bringen. Dieser Dialog tangiert auch das Thema „züchterische Freiheit“.
Die von mir entwickelte „Potentialmatrix für kleine Genpools“ © kommt wahrscheinlich früher zum Einsatz als meine damaligen Gesprächspartner es vor einigen Jahren bewerten wollten.


N.B.
Details dieser Analyse wurden bereits im Vorfeld der Publikation mit VGM diskutiert und geteilt.










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